Sündkapelle (Sonderhäisje) und Kreuzweg
Die Sündkapelle wurde, wie es die in die alten Dachbalken eingeschnitzte Jahreszahl erzählt, 1719 erbaut und ersetzte einen schon seit langem dort vorhandenen Wetterschutz-Unterstand.
An dieser Stelle geht der steile Weg aus dem im Tal liegenden Ort in einen flacheren Abschnitt über. Es war in früher Zeit der einzige Weg vom Ort hinauf zu den Äckern und Weideflächen auf der Briedeler Heck. Neben dem Weinbau betrieben fast alle Familien hier oben Ackerbau zur Selbstversorgung. Darüber hinaus war die Rottwirtschaft (Gewinnung von Eichenlohe und Getreideanbau als Schiffelwirtschaft) eine nennenswerte Einnahmequelle.
Zu allen Arbeiten musste man steil hinauf auf die Höhe und in dieser Kapelle war die erste Rastmöglichkeit.
Der nach 1700 im Rheinland aufkommende Kartoffelanbau fand auch in Briedel rasche Verbreitung, zumal er anfangs vom Zehnten befreit war. Er bedingte jedoch für die Pflanz-, Pflege- und Erntearbeiten gegenüber der bisherigen Schiffelwirtschaft (ähnlich der Dreifelderwirtschaft) einen wesentlich höheren Arbeitseinsatz und damit eine starke Ausweitung der an der Schutzkapelle vorbeiziehenden Menschen. Dies führte dann 1719 zum Bau eines massiven Schutzraumes, dem Zeitgeist entsprechend als Kapelle gestaltet. Ein weiterer massiver Unterstand wurde noch auf Ginnert, etwa eine Stunde weiter, errichtet. Dieser wurde um 1980 abgebrochen.
Über die Erstausstattung ist uns nichts überliefert. Jedoch besteht die begründete Annahme, das eine Heiligenfigur aus der 1728 wegen Hochwasserschäden am Moselufer abgerissenen Kapelle hier oben wieder aufgestellt wurde. Die beiden groben unbehauenen Baumstämme als Sitzbank zeugen von der sparsamsten Ausführung. Viele Rastenden haben sich durch das Einschnitzen ihrer Namenszeichen hier in den Jahrhunderten verewigt.
Um 1850 bauten die Briedeler die Sünd hinauf sieben massive Kreuzwegstationen mit Sandsteinreliefs. Zur Ausstattung der Sündkapelle als Schlusspunkt konnte eine alte Pieta aus dem säkularisierten Enkircher Kloster erworben werden. Die Pieta in der Sündkapelle wurde mehrfach, zuletzt 2005 nach einem Diebstahl, ersetzt.
Mit dem Ausbau der Bergstraße um 1894 wurden mehr Fuhrwerke eingesetzt und die Frequentierung der Sündkapelle als Schutzunterstand ließ nach, wohingegen sich der Zuspruch als stille Bet-Kapelle verstärkte.
Ganz in der Nähe stand auch viele Jahre der Galgen, an dem einige Urteile des Briedeler Hochgerichtes vollstreckt wurden. Die Verurteilten durften in der Sündkapelle ein letztes Gebet sprechen. Noch heute zeugt das in den harten Fels gehauene Galgentreppchen, eine Verbindungsspange vom alten Ortsgefängnis an der Ringmauer zum Sündweg von dieser Praxis.
Im März 1945 kam es hier zu Gefechten der zurückweichenden deutschen Truppen mit den vorrückenden Amerikanern. Es wurden mehrere Handgranaten in die Kapelle geworfen. Dabei wurden 2 deutsche Soldaten, welche sich unter der Sitzbank versteckt hatten, getötet. Der dabei beschädigte gepflasterte Wackersteinboden wurde zur Erinnerung nicht mehr wieder vollständig hergestellt. Auch das Dach war schwer beschädigt, wurde aber bald repariert.
Die Lage und die guten Parkmöglichkeiten machen die Sündkapelle zu einem heute beliebten Ausgangspunkt von Wanderungen z.B. zum Aussichtspunkt Wilhelmshöhe und der Briedeler Schweiz.
Reparaturen an den Kreuzwegstationen um 1985 hatten keinen langen Bestand. So wurde die Kapelle und die Kreuzwegstationen von ehrenamtlichen Helfern in den Jahren 2003-2005 gründlich saniert, wobei die Sandsteinreliefs alle ausgetauscht werden mussten. Als Dank wurden die Helfer mit dem Ehrenamtspreis des Kreises Cochem-Zell geehrt. Nun pilgert auch die Pfarrgemeinde alljährlich an Pfingstmontag wieder den Kreuzweg betend hoch zur Kapelle und erfreut sich anschließend beim Picknick.
Im Schatten einer uralten knorrigen Eiche, die als Naturdenkmal geschützt ist, zeigt sich heute die Kapelle in hellem freundlichem Licht. Vor der neuen Pieta der schmerzhaften Mutter Gottes brennen kleine Opferkerzen. Das Umfeld mit Sitzgruppen ist hervorragend gepflegt und alles lädt zu einer besinnlichen Rast ein.
Nicht nur die Briedeler, auch die Pündericher nahmen diesen steilen Weg hinauf zu Ihren Feldern und Rotthecken. Dabei gab es sogar eine klare Sitzordnung im Sündhäuschen, die Briedeler saßen auf der rechten, die Pündericher auf der linken Seite. Wehe dem es wurde von der Sitzordnung abgewichen. Was mag dieses alte Gemäuer in seiner langen Existenz an Freud und Leid von den Rastenden und Betenden alles so erfahren haben?
Übrigens: Der Name Sündweg und Sündkapelle kommt nicht von Sünde, obwohl man das anhand der Geschichte vermuten könnte. Der Name entstammt dem lateinischen »simeta« und wandelte sich über das mittelhochdeutsche Wort Sinten und bedeutet Pfad, Fußweg. Im Ortsdialekt wird der Weg auch heute noch Sond genannt. Auch die Flurnamen »Send« und »auf der Send« für die auf der Höhe angrenzenden Acker- und Wiesenflächen ist schon in frühen Urkunden bis heute belegt.